Getreide ist derzeit das am negativsten angesehene Futtermittel für Hunde. Dies kommt nicht nur durch die zahlreichen Gerüchte, die zu dem Thema kursieren, sondern wird auch durch geschicktes Marketing verstärkt. So ist der Stempel „Getreidefrei“ mittlerweile ein Qualitätskriterium geworden – ohne dass es dafür tatsächlich eine wissenschaftliche Grundlage gäbe. Wir haben es sicher den anscheinend immer mehr werdenden Allergien wie auch dem derzeitigen Rohfütterungshype – also der Fütterung nach dem Vorbild der Natur zu verdanken, dass Getreide einen derart schlechten Ruf genießt. Nur was der Wolf frisst, ist auch „artgerecht“ für den Hund. Und der jagt ja bekanntlich kein Getreide – allerdings buddelt er auch keine Kartoffeln aus. Man darf sich daher fragen, warum Getreide schlecht, Kartoffeln oder manch anderes Gemüse gut für Hunde sein sollen.
Kaum einer führt sich vor Augen, dass einige der Mythen ja auch gleichermaßen auf den Menschen zutreffen müssten, denn von der Verdauungsphysiologie und der Anpassung an stärkereiche Kost her, liegen Hund und Mensch nah beieinander. Beide sind gleichermaßen in der Lage die in Getreide enthaltene Stärke zu verwerten und beide haben sich in ähnlicher Weise genetisch an die „praktische“ und leicht verfügbare Energiequelle angepasst. Warum sollte ein Müsli also nur gesund für den Menschen sein?
Mythos: Getreide verursacht Allergien.
Getreide ist per se nicht allergener als andere Futtermittel. Dass es beim Hund häufiger Allergien gegen Getreide als gegen andere Futterbestandteile gibt, liegt lediglich daran, dass Getreide in den meisten kommerziellen Trockenfuttern sowie in Belohnungsleckerli enthalten ist. Entsprechend haben sehr viele Hunde Kontakt zu Getreide – eine Grundvoraussetzung für das Entstehen einer Allergie – so dass die Wahrscheinlichkeit einer Getreideallergie höher ist als bei anderen Futtermitteln, die weniger häufig verwendet werden. Getreide allein verursacht also keine Allergien.
Mythos: Getreide verursacht Krebs.
Dieser Mythos entstammt möglicherweise – wie so oft – einem Missverständnis. Bei Krebserkrankungen ist zwar oft eine kohlenhydratarme Ernährung zu empfehlen (hier gibt es nun aber schon öfters Studien, die diesem Schluss widersprechen), da sich Tumorzellen primär von Kohlenhydraten „ernähren“, im Umkehrschluss heißt das aber nicht, dass eine getreide- bzw. allgemein eine kohlenhydratreiche Ernährung Krebs begünstigt oder ihn gar verursacht. Hierbei spielen andere Faktoren wie Umwelteinflüsse, Alter, individuelle Krankheitsdisposition und sicherlich auch eine allgemein ungesunde Ernährung und Lebensweise eine wichtigere Rolle als allein der Getreideanteil im Futter.
Mythos: Getreide ist nur billiger Füllstoff, der vom Hund nicht verwertet werden kann.
Getreide ist nicht nur ein sehr wichtiges Grundnahrungsmittel des Menschen, sondern auch in Futtermitteln ein wichtiger Energieträger. Im Trockenfutterbereich spielt das in Getreide enthaltene Klebereiweiß zu dem eine wichtige Rolle für den Herstellungsprozess – ähnlich wie beim Brotbacken. Die ausschließliche Nutzung von Fleisch als Energiequelle bietet darüber hinaus nicht nur Vorteile und wäre für viele Hundehalter sicherlich auch nicht bezahlbar. Getreide als „billigen Füllstoff“ abzuwerten ist daher nicht gerechtfertigt.
Die in Getreide enthalten Stärke ist für Hunde sehr gut verdaulich, vorausgesetzt die Getreidekörner wurden mechanisch oder thermisch vorbehandelt. Beides erhöht die Verdaulichkeit. Dadurch, dass Hunde im Gegensatz zu uns Menschen nicht wirklich kauen, würden sie ganze Getreidekörner in der Tat so wieder ausscheiden. Flocken oder gepopptes Getreide hingegen können Hunde sehr gut verwerten. Auch dieser Mythos stimmt somit nicht.
Ich möchte hier keine Lanze für einen hohen Anteil an Getreide in der Hundeernährung brechen, aber man muss die Sache differenziert betrachten. Natürlich gibt es noch weitere Aspekte. Der Einfluss von kohlenhydrathaltiger Kost auf die Zahngesundheit zum Beispiel.